Corona wirft unpopulären Sport in der Entwicklung zurück

 

von Hannah Wolff

Langsam wird es wieder Zeit die Sportschuhe zu schnüren. Doch wie werden wir unseren geliebten Sport erleben?© Henry & Co.

Langsam wird es wieder Zeit die Sportschuhe zu schnüren. Doch wie werden wir unseren geliebten Sport erleben?

© Henry & Co.


Viele Wochen waren die Sportstätten der Republik aufgrund der Corona-Pandemie gesperrt. Das traf insbesondere Team-Sportler*innen hart. Unfreiwillig mussten sie auf Individualsportarten wie Joggen und Radfahren umsteigen. Inzwischen darf das Team-Training vielerorts langsam wieder anlaufen - in Kleingruppen und mit Abstand. So glücklich mancher Sport-Enthusiast über diese Entwicklung auch ist, richtiges Training ist damit in den meisten Fällen dennoch nicht möglich. Und bis die Verbände wieder Wettkämpfe austragen können, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Viele Sportarten haben ihre Spieltage und Turniere dieses Jahr abgesagt oder auf 2021 verschoben.


Einen genauen Einblick zum aktuellen Stand der Sportarten zur Corona-Situation bekommst du hier.


Effektiv heißt das, dass manche Sportarten, wenn es ganz übel kommt, ein Jahr keinen normalen Sportbetrieb aufrecht halten können. Das heißt nicht nur kein reguläres Training und keine Wettkämpfe, sondern auch kein Anwerben neuer Teammitglieder.

Besonders den unpopulären Sport trifft das hart. Denn viele Teams haben gerade genug Mitglieder, um am Spielbetrieb teilnehmen zu können. Das könnte in Zukunft noch schlechter aussehen. Auch während der Pandemie ziehen alteingesessene Spieler*innen weg oder hören aus verschiedenen Gründen ganz mit der Sportart auf. Aber: Neues Blut kommt gerade keins dazu.

Manche Sportarten kämpfen um das Überleben

Diese Recruitment-Lücke ist insbesondere im unpopulären Sport desaströs, weil ihn nur so wenige Menschen betreiben. Quidditch zum Beispiel wird in Deutschland seit 2014 gespielt - das sind erst sechs Jahre. Damit fällt durch die Pandemie einer von sechs Jahrgängen komplett weg. Es scheint gut vorstellbar, dass einige, insbesondere neue Teams, die Pandemie nicht überleben werden. Für den Sport ist das ein herber Rückschlag. Statt in den nächsten Jahren weiter zu wachsen, heißt es nun auf die Mitglieder- und Teamzahlen der Vor-Corona-Zeit zurückzukommen. 

Andere Sportarten müssen noch mehr um das Überleben ihrer Teams kämpfen. Dramatisch ist die Lage zum Beispiel bei Kin-Ball oder Unterwasserhockey, wo es in Deutschland jeweils nur etwa 10 Teams gibt. Wenn mehrere Teams in der kommenden Saison nicht spielfähig sind, stellt sich die Frage, ob ein regulärer Ligabetrieb überhaupt sinnvoll ist. Wer will schon in einer Liga mit nur 4 Teams spielen?

Aber nicht nur in Deutschland kämpfen die Teams und Verbände ums Überleben. Auch die weltweite Landschaft wird sich vermutlich verändern. Das Virus hat nicht nur gesundheitliche, sondern auch enorme wirtschaftliche Folgen. Schon jetzt können sich die Spieler*innen einiger Länder die Teilnahme an internationalen Turnieren kaum leisten. Nur selten kann zum Beispiel das türkische Quidditch-Nationalteam in Top-Formation antreten. Wenn das Virus nun wirtschaftlich schwächere Länder besonders hart trifft, wird es für diese in Zukunft noch schwieriger, oben mitzuspielen. 

Die Pandemie beeinträchtigt jedoch nicht nur kleine Teams und Länder mit vergleichsweise niedrigem Lohnniveau. Auch die Top-Teams aus wirtschaftlich starken Ländern werden einige Zeit brauchen, um die Recruiting-Lücke zu schließen und auch sportlich wieder auf die Höhe zu kommen. Bevor wieder kompetitiv Sport betrieben wird, gilt es die Fitness aufzubauen, beziehungsweise hochzuhalten. 

Hoffnung für den unpopulären Sport

Doch gerade das Aufrechterhalten der Grundfitness stemmen die unpopulären Sportarten fantastisch. Im Jugger und im Quidditch zum Beispiel wurden (teilweise teamübergreifende) Fitnesschallenges ausgerufen, um die Spieler*innen auch während der trainingsfreien Zeit zum Sport zu animieren. Und viele der Teams, zum Beispiel im Roller Derby, organisieren zusätzlich Fitnesstrainings per Videocall. Was zunächst wenig erfolgversprechend klingt - wer macht schon freiwillig reines Fitnesstraining - ist erstaunlicherweise sogar sehr erfolgreich gewesen. Warum das so gut funktioniert, ist eigentlich nur mit den engen Communities zu erklären. Der unpopuläre Sport ist für viele Spieler*innen Teil ihrer Identität. Auch ihr Freundeskreis findet sich fast gänzlich in der Gemeinschaft wieder. So wollen die einzelnen Teammitglieder einander sehen können - und sei es nur im Videocall beim gemeinsamen Schwitzen. 

Wie sehr die Communities zusammenhalten und welche Werte sie verbinden, sieht man bei gemeinsamen Solidaritätsaktionen. So haben die Munich Rolling Rebels zum Beispiel Masken genäht, verkauft und den eingenommenen vierstelligen Betrag an die Münchner Tafel gespendet. Die Klopapierchallenge wurde im Jugger und Quidditch prompt genutzt, um Spenden für geflüchtete Menschen an der EU-Außengrenze zu sammeln und auf deren Lage aufmerksam zu machen.  

All das zeigt, dass die Communities durch weit mehr verbunden sind, als den Sport. Und es gibt Hoffnung. Sicherlich wird die Mehrzahl der unpopulären Sportarten durch die Corona-Pandemie in ihrer Entwicklung erstmal zurückgeworfen - letztendlich werden sie aber überleben. Sie überleben durch das, was sie so besonders macht: die Communities.

 

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