“Unter Wasser nachzudenken muss man lernen”

 

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Konzentrierter Blick: Sportart-Erfinder Etan Ilfeld spielt Unterwasserschach.Quelle: Etan Ilfeld

Konzentrierter Blick: Sportart-Erfinder Etan Ilfeld spielt Unterwasserschach.

Quelle: Etan Ilfeld

Magazin des unpopulären Sports (MUS): Hallo Etan, danke dass du mit uns über Unterwasserschach sprichst. Wann wird Unterwasserschach olympisch?

Etan Ilfeld: Hallo! Es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass es dazu kommt. Oder wie wir auf Englisch sagen würden: Ich würde nicht die Luft anhalten, bis das passiert. Aber es wäre natürlich super, wenn es dazu käme.

MUS: Spielst du nach wie vor selbst Unterwasserschach oder bist du hauptsächlich organisatorisch tätig? Wie erfolgreich hast du bislang selbst bei den Weltmeisterschaften abgeschnitten?

Ilfeld: Ich bin ein Schachmeister nach der USA Chess Federation, also bin ich ein ganz guter Schachspieler. Und ich bin auch gerne im Wasser, sodass mir diese Schachvariante sehr liegt. In den frühen Jahren habe ich einige Male die Weltmeisterschaft gewonnen und 2018 habe ich die Silbermedaille mit nach Hause genommen. Das Teilnehmerfeld wird jedoch von Jahr zu Jahr stärker.

MUS: Glaubst du, du würdest gegen Magnus Carlsen im Unterwasserschach gewinnen?

Ilfeld: Wohl kaum. Magnus ist in großartiger körperlicher Verfassung und sein Schachspiel ist einfach so viel stärker. Nichtsdestotrotz müsste er vorher trainieren.

MUS: Das klingt ja als hättest du Magnus Carlsen schon einmal kennengelernt. 

Ilfeld:  Ich habe Magnus sogar schon einige Male getroffen. Im Dezember 2019 habe ich zum Beispiel an einem Gala-Dinner teilgenommen, um Spenden für Schachkurse in Schulen zu sammeln. An jedem Tisch gab es ein Schachbrett und wir spielten alle zusammen gegen etwa ein Dutzend Großmeister. Darunter war auch Magnus. Die Großmeister hatten einfach Spaß und spielten nicht sehr Ernst. Trotzdem bin ich stolz darauf, sagen zu können, dass ich meinen Tisch zum Sieg geführt habe.

 

“Es erschien mir elegant, die Schachuhr durch Luft anhalten zu ersetzen”

 

MUS: Zurück zum Unterwasserschach. Was ist die Herausforderung, wenn man das erste Mal unter Wasser spielt?

Ilfeld: Es ist tatsächlich ganz schön schwierig, das erste Mal Unterwasserschach zu spielen. Man muss sich erst einmal daran gewöhnen, unter Wasser zu denken und die Schachfiguren zu sehen. Vor einigen Jahren hat ein sehr starker Schachmeister an der Weltmeisterschaft teilgenommen. Aber er hat sich nicht sehr wohl im Wasser gefühlt und konnte deshalb nicht lange nachdenken. Letztendlich hat er nicht sehr gut abgeschnitten.

MUS: Was ist für dich der wichtigste Skill beim Unterwasserschach?

Ilfeld: Das Wichtigste ist auf jeden Fall das Können beim Schach und die Fähigkeit unter Druck ruhig zu bleiben. Natürlich ist es auch sehr wichtig, dass man sich daran gewöhnt, unter Wasser nachzudenken. 

MUS: Wir wissen, dass Schachboxen bei der Erfindung von Unterwasserschach eine Rolle gespielt hat. Kannst du das kurz erklären? Wie ist es dazu gekommen, dass du Unterwasserschach erfunden hast?

Ilfeld: Es macht viel Spaß, sich Schachboxen anzuschauen. Allerdings denke ich, dass Boxen hier eine größere Rolle spielt, als Schach. Man kämpft zum Beispiel nur gegen Personen der gleichen Gewichtsklasse. Als ein begeisterter Schachspieler war ich neugierig, ob es nicht auch andere Schachvarianten geben könnte, die ebenfalls körperliche Ansprüche mit sich bringen, sich aber dennoch hauptsächlich auf das Schachspiel fokussieren. Es erschien mir eine elegante Lösung, die Schachuhr dadurch zu ersetzen, dass man die Luft anhalten muss. Ich habe mit dem Gedanken etwas experimentiert und schon war Unterwasserschach geboren.

 

“Es wäre großartig, den Prozess zu standardisieren”

 

MUS: Welche Entwicklungsschritte der Sportart stehen als nächstes an?

Ilfeld: Wir veranstalten wie gesagt jedes Jahr eine Weltmeisterschaft. Das Turnier kommt immer gut an. Damit haben wir also eine gute Grundlage. Als nächstes sollten wir günstigere Unterwasserschach-Sets produzieren. Momentan handelt es sich hierbei um Sonderanfertigungen. Alternativ könnten wir eine Produktionsmethode entwickeln, mit der man Standard-Schachspiele in Unterwasser-Sets umbauen kann. Diese würden wir dann frei zugänglich machen. Sicherlich stehen wir da noch vor einigen technischen Herausforderungen, aber es wäre großartig, den Prozess zu standardisieren. Dann können mehr Einzelne und auch Schachclubs ein Set haben und das Spiel so Neulingen vorstellen. 

MUS: Betreibst du selbst noch andere unpopuläre Sportarten oder hast du mal welche betrieben?

Ilfeld: Ich spiele sehr gerne Tennis und habe auch einige seltsame Tennisvarianten ausprobiert. Als ich ein Kind war, habe ich eine lustige Tischtennisvariante namens Double Shlomo erfunden, die damals alle Kinder in meiner Nachbarschaft gespielt haben. Ich probiere gerne neue Sportarten aus und lerne generell gerne Neues. 

MUS: Jetzt hast du mich neugierig gemacht. Ich wittere einen noch unpopuläreren Sport! Wie spielt man denn Double Shlomo?

Ilfeld: Double Shlomo ist einzigartig, weil das Spiel weitergeht, wenn der Punkt eigentlich schon ausgespielt ist. Obwohl der Tischtennisball auf dem Boden liegt, kann der Spieler, der den Punkt gerade “verloren” hat, sich retten, indem er den Ball mit dem Schläger vom Boden kratzt und in einer Bewegung wieder auf die Platte bringt. Das sieht dann ein bisschen aus wie Golf. Wir hatten damals alle möglichen Punkte-Zählweisen, aber die Kernidee war, dass man weiterspielen konnte, auch wenn der Ball auf dem Boden war (oder auf irgendwelchen Objekten, die überall in unserem Keller rumlagen). Es ist sehr albern und macht sehr viel Spaß. 

MUS: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Die Fragen stellte Hannah Wolff


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