Unterwasserschach: Atmen ist Taktik

 

Dieser Text ist Teil unserer Reihe “Spotlight on”. Dabei stellen wir Sportarten vor, die in Deutschland noch so wenig verbreitet sind, dass es bisher keinen Ligabetrieb oder Dachverband gibt. Weitere Artikel der Reihe findest du hier: Spotlight on.


von Hannah Wolff

Mit Taucherbrille, Schachbrett und Gewichten - Unterwasserschach vereint die Faszination von Schach mit körperlicher Aktivität.Quelle: Etan Ilfeld

Mit Taucherbrille, Schachbrett und Gewichten - Unterwasserschach vereint die Faszination von Schach mit körperlicher Aktivität.

Quelle: Etan Ilfeld


Ist Schach eigentlich ein Sport? Obwohl das Internationale Olympische Komitee Schach offiziell als Sport anerkennt, sehen sich Schachspielende in unregelmäßigen Abständen mit dieser Frage konfrontiert. Viel spricht dafür. So prägt der Wettkampfaspekt das Schachspiel auf höchstem Level ebenso sehr wie in anderen Sportarten. Zudem gibt es internationale Regularien und seit 2001 tatsächlich auch Dopingkontrollen. Ob Hirndoping überhaupt möglich ist, ist noch umstritten. Es gibt jedoch erste Hinweise auf Substanzen, die das Schachspiel verbessern. Allerdings fehlt Schach jedoch eine der wichtigsten Komponenten, die anderer Sportarten ausmachen: die körperliche Aktivität. 

Auch den Schachmeister Etan Ilfeld beschäftigte gelegentlich die Frage, ob seine eigene Sportart denn nun wirklich ein echter Sport sei. Diese Gedanken führten vermutlich dazu, dass er eine weitere Variante des Schachs in sein Blickfeld aufnahm. In seiner Wahlheimat London hatte der US-Amerikaner schon einmal eine Partie Schachboxen live verfolgt. Während er fasziniert vom neuen physischen Element dieses Schachsports war, hatte er doch das Gefühl, dass die Purheit des Schachs hier verloren gehe. Beim Schachboxen störte ihn, dass nur Menschen in der gleichen Gewichtsklasse gegeneinander antreten können. Zudem bemängelte er, dass auch ein Knockout und nicht nur das bessere Schachspiel zum Sieg führen können. 

Luft holen als taktisches Mittel

Das war der Grund, warum er eine weitere Schachvariante erfand: Unterwasserschach. Dieser können wir das Sportsein ebenfalls kaum absprechen. Gespielt wird in schultertiefem Wasser, wobei sich das Schachbrett auf dem Boden des Schwimmbecken befindet. Die Spielenden tauchen abwechselnd unter, um ihren jeweiligen Zug zu machen. Zeit haben sie dabei so lange, wie sie die Luft anhalten können. Bei geübten Menschen können das bis zu zwei Minuten sein. Allerdings muss eine Person sofort abtauchen, sobald die andere wieder an der Oberfläche ist. Diese Regel setzen gewiefte Spieler*innen gerne als Taktik ein. Sie machen ihre eigenen Züge jeweils so schnell, dass die andere Person kaum zum Luft holen kommt.

Unterwasserschach wird in der Regel im Turnierformat gespielt. Ein Spiel dauert dabei selten unter 30 Minuten. Wer schon einmal im Schwimmbad war, kann sich sicher vorstellen, dass es im Wasser ganz schön kalt wird. Deswegen verbringen die Spielenden ihre Pausen in der Sauna und wärmen sich vor den einzelnen Spielen durch Schwimmen auf. 

Spezielle Schachbretter halten die Figuren am Beckenboden

Falls du dich jetzt fragst, ob die Schachfiguren im Wasser nicht wegschwimmen, können wir dies verneinen. Es gibt spezielle magnetische Schachbretter für den Sport. Die Figuren sind einerseits durch Gewichte beschwert und verfügen andererseits über starke Magneten. “Wir haben nur eine begrenzte Anzahl von Unterwasserschachbrettern hergestellt, aber einige Enthusiasten haben sich eigene gebaut.”, berichtet der Begründer der Sports Etan Ilfeld. Doch die geringe Anzahl an speziellen Unterwasserschachbrettern ist nicht die einzige Herausforderung für die Sporttreibenden. Für sie ist es nämlich auch gar nicht so leicht auf den Beckenboden zu tauchen. Um gegen den Auftrieb zu arbeiten, setzen einige von ihnen schwere Hanteln ein, die sie quasi von alleine auf den Beckenboden ziehen. So können sie sich ganz auf den Schachzug konzentrieren. 

Solche taktischen Kniffe werden natürlich auch bei der jährlich stattfindenden Weltmeisterschaft angewendet. Im Rahmen der “Mind Sports Olympiad”, einem von Ilfeld organisierten Wettkampf in über 70 verschiedenen Brettspielen, kämpfen jedes Jahr auch einige der etwa 100 bis 200 Unterwasserschachspieler*innen weltweit in London um den Titel. Viele von ihnen haben zuvor noch nie Unterwasserschach gespielt. “Sie bereiten sich vor, indem sie normales Schach an Land spielen und Schwimmen und Luftanhalten in ihr Training einbauen.”, erzählt uns Ilfeld. Bislang haben Vertreter*innen von etwa 20 verschiedene Nationen an der Weltmeisterschaft teilgenommen, darunter jedoch erst ein einziges Mal ein Deutscher. Im Jahr 2020 findet das Turnier voraussichtlich im August statt. Ilfeld hofft dann auf eine größere deutsche Beteiligung. 

Doch Tauchschach, wie es in Österreich genannt wird, wächst auch außerhalb dieser Olympiade. Das sieht man zum Beispiel daran, dass die Disziplin dieses Jahr erstmalig Teil der österreichischen Betriebssport Meisterschaft ist. Ob Unterwasserschach jedoch jemals so populär wird wie die klassische Schachvariante, steht natürlich in den Sternen.

 

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