Tiere, Bauwerke und der Winter limitieren unpopulären Sport

 
Professionelle Sportplätze bleiben unpopulären Sportarten nach wie vor häufig verschlossen. (Foto: eskwebdesign/flickr)

Professionelle Sportplätze bleiben unpopulären Sportarten nach wie vor häufig verschlossen.
(Foto: eskwebdesign/flickr)


Entenkot auf dem Footy-Spielfeld, ein Fuchsbau auf dem Quidditch-Pitch und Hasen- oder Mäuselöcher, die beim Ultimate Frisbee gestopft werden müssen – tierische Untermieter sind für unpopuläre Sportarten häufig keine Seltenheit. Doch nicht nur Tiere (bzw. deren Hinterlassenschaften) sind problematisch, auch Bauwerke können aktiv Einfluss auf das sportliche Kräftemessen nehmen.

So erzählt Thomas Ullrich, Vorsitzender der Sportkommission Rollhockey des DRIV, von einer Rollhockey-Halle in England, die in der Vergangenheit genutzt wurde, und die alleine schon durch ihre Lage außergewöhnlich war. Die Rollhockey-Halle befand sich nämlich auf einem Nordsee-Pier. „Man hat da nur wenige Meter über den Wellen der Nordsee gespielt“, erzählt Ullrich. Das Problem war aber nicht das tosende Meer, sondern die Konstruktion der Halle: „Lange Zeit gab es dort einen Pfeiler, der mitten im Spielfeld stand. Den musste man dann beim Kontern umfahren, um nicht hängen zu bleiben“, führt der Rollhockey-Funktionär weiter aus. Der Pfeiler verschwand dann offenbar, als das Dach erneuert wurde.

Dabei scheint gerade wer Rollhockey spielt, Kummer dieser Art gewöhnt zu sein. Schließlich wird Rollhockey immer mal wieder auch auf Außenbahnen gespielt. Das Problem daran ist, dass es nach Regen manchmal zu Pfützenbildung auf dem Spielfeld kommt. Thomas Ullrich erinnert sich da an einige kuriose Szenen: „Teilweise entstanden Pfützen genau vor dem Tor. Wenn da einer flach geschossen hat, verhungerte dessen Ball manchmal in der Pfütze und kam gar nicht erst bis ins Tor. Andere nutzten die Pfütze, schossen dem Torwart erst eine Ladung Wasser ins Gesicht und schoben die Kugel dann gemütlich ins Tor.“

Ähnlich ärgerlich ist der eingangs erwähnte Entenkot, der immer wieder das Footy-Feld in Frankfurt „bereichert“ hat. „Das war besonders bei Stürzen und Zweikämpfen am Boden interessant“, weiß Stefan Knoll, Präsident der AFL Germany, zu berichten. Allerdings zeigt sich im Footy auch, dass Infrastruktur nicht nur auf dem Spielfeld selbst entscheidend ist. Angrenzende Bauwerke können ebenfalls ihren Einfluss haben. So berichtet Knoll von einer Anweisung der Stadt Dresden zum Ausweichplatz der Dresden Wolves. „Hier wird um Vorsicht beim Kicken gebeten, da neben dem Feld, und nur durch eine Mauer getrennt, die Autobahn A4 verläuft.“ Die Anweisung der Stadt erscheint durchaus berechtigt, denn was passieren kann, wenn tatsächlich ein Ball auf der vielbefahrenen Autobahn landet, mag sich wohl niemand ausmalen.

So amüsant diese Anekdoten auf dem ersten Blick erscheinen mögen, lenken sie auf dem zweiten Blick den Fokus auf ein Problem, das sich wie ein roter Faden durch die (unpopuläre) Sportlandschaft zieht. Randsportarten werden häufig wortwörtlich an den Rand gedrängt. Der Footy-Platz an der Autobahn ist hier wohl nur die Spitze des Eisbergs.

“Hunde und Fahrradfahrer, die das Spielfeld bei Punktspielen überqueren oder das Auftauchen des Ordnungsamts während Meisterschaften sind durchaus üblich.”

Während populäre Sportarten wie selbstverständlich Raum einnehmen, müssen unpopuläre Sportarten das nehmen was übrig bleibt. Hallenzeiten sind fast überall von Roller Derby über Unterwasserhockey bis zu Roundnet schwierig zu bekommen. Dabei ist das Fehlen einer adäquaten Spielstätte für viele kleinere Sportarten im Extremfall sogar existenzbedrohend. Wenn ein Unterwasserhockey-Team keine Zeiten in der Schwimmhalle bekommt, kann es nicht trainieren. Wenn ein Roundnet-Verein keine Sporthalle für den Winter bekommt, gehen die gerade im Sommer gewonnenen Neu-Mitglieder häufig wieder verloren.

Die Frage wo und wie unpopuläre Sportarten trainieren und spielen können, ist also durchaus von existenzieller Bedeutung. Umso erfreulicher ist es, dass die extremsten Missstände scheinbar der Vergangenheit angehören und bei einigen Sportarten eine positive Entwicklung festzustellen ist.

Ein Beispiel dafür ist Quidditch: Während noch vor vier bis fünf Jahren die meisten Quidditchteams Deutschlands in Parks, auf Wiesen oder auf anderen öffentlichen Flächen trainiert haben, sieht das inzwischen anders aus. Die Mehrheit trainiert auf Sportplätzen, weil sich viele Quidditchteams größeren Sportvereinen angeschlossen haben oder durch die Anbindung an eine Universität sowieso mit einem Sportplatz versorgt sind. Auch die Zeiten in denen Ligaspieltage auf Parkwiesen ausgetragen wurden, sind größtenteils vorbei – zum Glück.

Denn definitiv hat auch die Quidditch-Community auf Ligaspieltagen Erfahrungen gemacht, wie sie Stefan Knoll für seine Sportart Footy berichtet: „Hunde und Fahrradfahrer, die das Spielfeld bei Punktspielen überqueren oder das Auftauchen des Ordnungsamts während Meisterschaften sind durchaus üblich.“ Natürlich ist es Außenstehenden schwer zu vermitteln, dass der Sport ernsthaft und wettkampforientiert betrieben wird, wenn plötzlich Radfahrer oder Hunde über das eigene Spielfeld pflügen. Hier hat Quidditch definitiv einen Schritt nach vorne gemacht.

Doch auch andere unpopuläre Sportarten können positive Entwicklungen vermelden. Thomas Ullrich benennt für Rollhockey die Erneuerung der Spielflächen als sehr positiv. Schließlich ist die Hockey-Variante auf rollschuhgerechten Hallenboden angewiesen. Das kann PVC, Linoleum oder Parkett sein – wichtig ist, dass der Untergrund in einem guten Zustand ist.

Diesen Satz würde sicherlich auch eine andere Rollschuh-Sportart unterschreiben, denn im Roller Derby ist für ein qualitativ gutes Training der Hallenboden ebenso entscheidend. Schließlich trainiert die Mehrheit der deutschen Roller-Derby-Teams in Sporthallen. Ein “halbwegs glattem Straßenbelag” wäre laut Einschätzung des RDD-Vorstands zwar eine Alternative, doch die meisten Roller-Derby-Teams sind in einem vereinssportlichen Umfeld angekommen und nutzen die Sporthallen.

Jörg Benner, Geschäftsführer des DFV, sieht für Ultimate Frisbee ebenso eine positive Entwicklung. Die Mitgliederzahlen in den Frisbee-Sportarten steigen ebenso wie zum Beispiel die Zahlen der Discgolf-Anlagen. Ob die Sportflächen und Vereinsstrukturen für die positive Entwicklung ausschlaggebend sind, ist für Benner „schwer zu bewerten“. Problematisch sei allein die Zuweisung von Indoor-Spielflächen im Winter. Hier hat Ultimate Frisbee allerdings den Vorteil, dass bei Flutlicht im Winter auch ohne Probleme draußen trainiert werden kann, was für andere Sportarten nur eingeschränkt gilt.

Im Winter auf entsprechendem Untergrund einer Frisbee hinterherzulaufen, mag noch möglich sein. Einem Roundnet-Ball auf hart gefrorenem Untergrund hinterherzuhechten vermutlich eher nicht. Dementsprechend sieht Philipp Kessel, Referent für Marketing und Kommunikation bei Roundnet Germany, es als „brutal wichtige Sache“ für seinen Sport an, „dass im Winter dauerhaft Trainingsangebote geschaffen werden“. Bei Sporthallen sieht er aktuell noch ein „riesengroßes Verfügbarkeitsproblem“. Vor allem in Großstädten besteht laut Kessel „überhaupt gar keine Chance, über die normale städtische Hallenvergabe an Hallen heranzukommen“. Deshalb müsse häufig eine Soccer-Halle als Alternative angemietet werden. Eine solche stößt allerdings oft räumlich an ihre Grenzen – schließlich braucht man für ein Roundnet-Match durchaus zehn mal zehn Meter Platz.

Wer sich als Abteilung einem größeren Sportverein anschließt, dem öffnen sich nicht nur metaphorisch Türen.

Das Stichwort Platz ist auch beim Unterwasserhockey ein Problem. Allerdings nicht in der Breite, sondern eher in der Tiefe. Die Wasservariante des Hockeys wird schließlich unter Wettkampfbedingungen in einem Becken mit 2 bis 4 Metern Tiefe gespielt. Solche Schwimmbecken sind für den Trainingsbetrieb aber schwer zu bekommen, weiß Selina Höckele, die beim Unterwasserhockey für die Medienarbeit zuständig ist. „Schwimmbadzeiten sind nicht einfach zu bekommen, deshalb haben viele Vereine eher Randzeiten“, betont Höckele. Das führt dann dazu, dass viele Teams erst recht spät, zum Beispiel zwischen 20.30 Uhr und 22.30 Uhr, trainieren. Auch hier drängt sich der Verdacht auf, dass unpopulärer Sport im Zweifel an den Rand gedrängt wird.

Doch was gibt es für Lösungen für diese Probleme mit denen diverse unpopuläre Sportarten zu kämpfen haben? Eine Antwort ist es vermutlich, sich bestehenden Strukturen anzuschließen. Wer sich als Abteilung einem größeren Sportverein anschließt, dem öffnen sich nicht nur metaphorisch Türen. Auch die Türen zu städtischen Sporthallen sind in der Regel dann nicht mehr verschlossen.

Im Optimalfall ergeben sich auf diesem Weg auch Möglichkeiten für andere unpopuläre Sportarten. So ist das Freizeitzentrum Rauenstein (Thüringen) über mehrere Jahre für die Quidditch-Akademie genutzt worden. Jetzt findet in genau diesem Freizeitzentrum ein Coaching-Lehrgang im Roundnet statt. Dies dürfte im vorliegenden Fall zwar Zufall sein, doch unstrittig ist, dass wer einmal gute Erfahrungen mit unpopulären Sport gemacht hat, seine Türen vermutlich bereitwillig auch für andere unpopuläre Sportarten öffnet. Optimalerweise führt das dazu, dass sich die Gegebenheiten der Sport-Infrastruktur, zum Beispiel was Trainingsorte angeht, ganz grundsätzlich im unpopulären Sport verbessert.

Für die MUS-Redaktion sind Ansätze einer solchen Entwicklung im Berliner Gleisdreieck-Park zu beobachten. In der MUS-Heimatstadt ist diese großflächige Parkanlage das Herz des unpopulären Sports. Jokeiba, Ultimate Frisbee, Roundnet, Quidditch, Hurling - die Liste der Sportarten, die im Gleisdreieck-Park betrieben werden, ist lang. Während einige Sportarten wie Quidditch und Hurling nur noch selten auf den Parkwiesen anzutreffen sind, weil sie mehr und mehr auf Sportplätzen heimisch werden, gehen andere Sportarten diesen Weg nicht. Sie bleiben im Park und genießen die Vorteile, die eine solche Trainingsstätte durchaus auch bietet.

Sie bleiben frei und unabhängig von Sportämtern und Platzzeiten. Sie bleiben sichtbar im öffentlichen Raum und locken so im Optimalfall neue Mitglieder an. Wo die Vor- und wo die Nachteile überwiegen, muss letztlich jeder Sport und jedes Team für sich entscheiden. Schließlich macht die vergleichsweise geringe Professionalisierung für viele auch den Charme des unpopulären Sports aus.


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