Daniel Mustermann denkt nach … über den Sinn einer Namensänderung im Quidditch

 

Größeres Wachstum und mehr Sponsoring sind zwei Gründe, die für die Namensänderung angegeben werden.


In den USA wollen die beiden dortigen Quidditch-Ligen MLQ und USQ dem Sport Quidditch einen neuen Namen geben. Diese Nachricht schlug kürzlich auch in Deutschland ein wie eine Bombe. Darf ich meinen geliebten Sport also künftig unter anderem Namen spielen? Dieser Gedanke war zunächst real, doch einen Tag später entwickelte sich das Thema schon wieder in eine andere Richtung.

Der Quidditch-Weltverband IQA ließ in einem Statement eine gewisse Verärgerung über das einseitige Vorpreschen der beiden US-Ligen erkennen. Man war über deren Absichten offenbar nicht informiert. Außerdem habe der Weltverband zumindest kurzfristig keine Absichten den Namen des Sports zu ändern.

Doch auch die IQA ließ durchblicken, dass das Thema mittel- oder langfristig auf die Tagesordnung kommen könnte. Hier stellen sich für mich zwei wesentliche Fragen: Ist das Ganze grundsätzlich überhaupt eine gute Idee? Und als zweite Frage: Haben wir derzeit keine drängenderen Probleme?

Entgegen der Chronologie widme ich mich zuerst der zweiten Frage, denn sie lässt sich leicht beantworten. Natürlich haben wir aktuell viel drängendere Probleme. Gesamtgesellschaftlich liegt die Antwort sowieso nahe: Wir befinden uns nach wie vor mitten in einer Pandemie. Und dieses Problem überträgt sich eben auch auf unseren Sport.

Für viele Menschen, die in Deutschland Quidditch spielen, ist ein Horrorszenario Realität geworden. Seit zwei Jahren gibt es kein einziges offizielles Quidditchspiel. Zwar gibt es Freundschaftsspiele, das Nationalteam hat ein paar Trainingslager abgehalten und die meisten Teams trainieren relativ regelmäßig. Doch reicht das dauerhaft? Vermutlich nicht. Man betreibt einen Sport schließlich nicht nur, um ihn zu trainieren – sondern um sich im Wettkampf mit anderen zu messen.  

In anderen Ländern sieht es noch düsterer aus. Dort hat Corona die vergleichsweise kleinen Quidditch-Communities fast vollständig zerstört. Man munkelt, dass einige nationale Verbände kein Geld mehr hätten, weil die Mitglieder im Prinzip nur noch aus einer handvoll Menschen bestehen. Ob das einzelne Schicksale sind oder doch mehr dahinter steckt, wird sich erst nach der Pandemie zeigen – wann auch immer das sein mag.

Fest steht allerdings: Wir müssen aufpassen, dass der Sport nicht enorm zurückgeworfen wird oder gar stirbt. Insofern mutet es einigermaßen skurril an, wenn in der jetzigen Situation ein riesiges neues Thema aufgemacht wird, was den Sport schon ohne Pandemie in seinen Grundfesten erschüttern würde.

Schließlich geht es nicht nur darum, den Namen zu ändern. Er geht ja darum, die Bezüge zu Harry Potter aus dem Sport zu tilgen, damit man sich gegenüber Rechteinhaber Warner Bros weniger angreifbar macht. Damit verbunden ist dann auch eine Welle der Umbenennungen. Nicht nur müssen sich Verbände und Turniere umbenennen, sondern gerade auch in Deutschland viele Teams. Dobbys Klatscher Oldenburg, Münster Marauders, Berlin Bludgers, Dresden Deluminators, Halle Horkruxe und zahlreiche weitere Teams müssten sich komplett neue Namen suchen.

Diese Teams müssten neue Trikots kaufen, müssten ihren Vereinsnamen ändern (viel Spaß dabei in Deutschland), sofern sie ein eingetragener Verein sind, und könnten auch diverse Merchandise-Artikel wie Trainingsjacken und Jogginghosen nicht mehr nutzen – zumindest wenn man das Thema konsequent angeht. Was das alles kostet und wie sehr das Menschen mit geringen Budget unnötig belastet, will ich hier gar nicht weiter ausführen.

Denn das ist noch längst nicht alles. Auch die Spielbälle und die Positionen müssten umbenannt werden. Dementsprechend müsste auch das Rulebook angepasst werden. Und spätestens hier wird sehr anschaulich deutlich, wie absurd der Gedanke einer Namensänderung eigentlich ist. Denn das Rulebook gibt es nach wie vor auch nach Jahren des Quidditch-Spielens in Deutschland nicht in deutscher Sprache.

Falls Menschen ohne Quidditchbezug gerade denken: „Das hab ich wohl falsch verstanden“. Nein – ihr habt es genau richtig verstanden. Hier wird seit Jahren ein Sport gespielt, dessen Regelwerk nicht mal auf Deutsch verfügbar ist. Was das für das Schiedsrichterwesen bedeutet, kann man vermutlich nur erahnen. Schließlich steigt die Motivation, sich für den Ref-Test anzumelden nicht unbedingt, wenn man sich vorher durch ein kompliziertes Regelwerk in einer Fremdsprache kämpfen muss.

Spätestens hier ist auch die zweite Frage beantwortet: Ist die Namensänderung grundsätzlich eine gute Idee? Nein, ist sie nicht. Denn einerseits würde das Ganze einen unfassbar großen Aufwand bedeuten (von Teamnamen über Trikots bis zu Positionsnamen) und andererseits hat Quidditch sowieso schon genügend grundsätzliches Probleme, die es dringend lösen muss.

Trotzdem kann die Namensänderung in den USA eine gute Sache sein. Dort ist der Sport nämlich längst auf einem komplett anderen Level angekommen. Sponsoring und TV-Übertragungen werden dort als Gründe für den Namenswechsel angeführt. Wenn man ein solches kommerzielles Level erreicht hat und den Wachstumsgedanken klar verfolgt, macht es durchaus Sinn, sich mit den Markenansprüchen von Warner Bros auseinanderzusetzen.

Doch davon sind wir in Deutschland Lichtjahre weit entfernt. Schließlich ist Sportdeutschland.tv kein TV-Sender, sondern ein Livestream-Anbieter und erst recht nicht mit der Marke ESPN zu vergleichen, um die es in den USA geht. Zudem ist mir kein Vereinsteam in Deutschland (bis auf Bochum) bekannt, dass jemals einen Trikotsponsor gehabt hätte oder Sponsoring betreibt, das über einzelne Sachspenden hinausgeht. Einzig das Nationalteam wird gesponsort – und hier kommt die Pointe: von Elbenwald. Einen Sponsor, den es ohne Harry-Potter-Bezug auf keinen Fall geben würde.


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