Hals über Kopf: So wurde das Rhönrad erfunden!

 

von Hannah Wolff

Mit ordentlich Schwung: Ein Wettkampfturner führt seine Kür im Geradeturnen vor.© Marielena Lorrmann

Mit ordentlich Schwung: Ein Wettkampfturner führt seine Kür im Geradeturnen vor.

© Marielena Lorrmann


Es war um Anfang des 20. Jahrhunderts als Otto Feick, damals noch ein Kind, in der großväterlichen Schmiede in der Pfalz zwei Wagenreifen miteinander verband, um darin den Hügel hinunterzurollen. Er quetschte sich die Finger, aber die Faszination blieb. Was als einfacher Zeitvertreib eines Jungens begann, sollte letztendlich in der Erfindung des Rhönrad-Sports enden. 

Das heutige Sportgerät besteht weiterhin aus zwei Reifen, die durch sechs Sprossen miteinander verbunden sind. An zwei dieser Sprossen sind Griffe befestigt, an zwei anderen Bretter mit Fußschlaufen. Die Größe des um die 50 Kilogramm schweren Rades wird dabei auf die turnende Person angepasst. Diese muss fast ausgestreckt im Rad stehen und sich an den Sprossen festhalten können.  Bei Wettkämpfen treten die Turner*innen heutzutage in drei verschiedenen Disziplinen gegeneinander an: Geradeturnen, Spirale und Sprung. Bei der wohl bekanntesten Disziplin, dem Geradeturnen, rollen die Turnenden auf 23 Meter langen Bahnen hin und her und führen spektakuläre Kürübungen aus, die zum Teil dem Reck- oder Barrenturnen entstammen. So vollführen die Sportler*innen zum Beispiel Rollen um die einzelnen Sprossen oder gehen auf der Oberseite des Rads in einen Handstand. Dabei bleibt das Rad immer in Bewegung. 

Doch bis zu den heutigen Wettkämpfen war es ein langer Weg. Denn zunächst existiert das Rhönradturnen nur namenlos in Otto Feicks Kopf. Und auch dieser erinnert sich erst 1921 während seiner Haft in einem französischen Militärgefängnis an seine Kindheitsexperimente zurück. Als er wenige Jahre später von den französischen Besatzern der Pfalz ausgewiesen wird, zieht er in die Heimat seiner Frau, die bayerische Rhön. Dort arbeitete er weiter an seinem Gymnastikgerät und ließ es schließlich 1925 patentieren. Als Dank an seine neue Heimat nannte er es “Rhönrad”.

Der Krieg verdrängt das Rhönrad

Deutsche Ingenieurskunst: Stolz präsentiert Otto Feik seine Erfindung.Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/User:R%C3%B6hnrad

Deutsche Ingenieurskunst: Stolz präsentiert Otto Feik seine Erfindung.

Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/User:R%C3%B6hnrad

Das Patent bedeutete jedoch nicht gleich eine weitläufige Verbreitung des Rhönrads. Aber Feick war entschlossen, seine Erfindung bekannt zu machen. Er stellte das Rhönrad an Hochschulen und Messen vor, überzeugte Lehrer es in den Sportunterricht zu integrieren und gründete schließlich eine Mustertruppe mit anderen Sportlern. Mit dieser Gruppe reiste er nach England, Frankreich und die USA, um dort das Rhönrad bekannter zu machen. Und schon bald stellt sich der Erfolg ein. Sowohl die Londoner als auch die Berliner Varité zeigten Rhönrad-Shows und das Rhönrad hatte sogar einen Auftritt im amerikanischen Film Dynamit. Anfang der 30er Jahre fanden in Deutschland schließlich die ersten nationalen und internationalen Turniere statt, die damals noch draußen abgehalten wurden. Neben den heutigen Disziplinen, wurden insbesondere auch Wettfahrten und Hindernisrennen ausgetragen, die an die Entstehungsgeschichte zurückerinnern. Zudem setzten Briten und Russen es als Trainingsgerät ein, um die Fitness und den Gleichgewichtssinn ihrer Soldaten, insbesondere der Flieger, auszubilden. 

Als in Deutschland die Nationalsozialisten 1933 ihre Diktatur errichteten, begannen sie das Sportgerät als Propagandamittel einzusetzen. Rhönrad-Truppen traten vermehrt bei NS-Veranstaltungen auf und auch die Olympischen Spiele 1936 nahmen eine Show ins Rahmenprogramm auf. Im Ausland wurde die deutsche Erfindung auch aufgrund ihrer Herkunft gleichzeitig zunehmend unbeliebter. Gegen Ende des Kriegs wurde der Sport dann jedoch auch in Deutschland kaum noch betrieben. 

Rhönradturnen bezieht die Weltbühne

Als der Krieg vorbei war, sah sich das Rhönradturnen weit zurückgeworfen. Der erneute Aufbau verlief langsam. Zunächst wurde der Sport nur in den alten Rhönradzentren, Berlin und Würzburg, wieder betrieben. Auch der Schwerpunkt der Disziplinen änderte sich. So verschwand das ursprüngliche Wettrennen gänzlich von der Bildfläche. 1958 gelang die Aufnahme in den Deutschen Turnerbund. Kurz darauf bescherte eine Innovation dem Rhönradturnen die Voraussetzung weiter zu wachsen. Durch eine Kunststoffummantelung der Reifen, konnten die Turner*innen den Sport nun auch in Hallen betreiben, ohne den Boden zu beschädigen.

Seit den 80er Jahren sind auch wieder andere Nationen vom Rhönrad fasziniert. Zunächst schwappt die Begeisterung über in die Schweiz und verbreitet sich dann in mehreren Ländern. Lange Zeit dominierten die deutschen Turner*innen die Weltbühne, doch momentan setzen sich immer häufiger die Japaner*innen durch. Ein gutes Zeichen - Rhönradturnen ist damit endgültig ein internationaler Sport. 

Der Erfinder des runden Turngeräts erlebte die Internationalisierung des Rhönrads nicht mehr. Er starb im Jahr 1959 noch bevor der Rhönrad-Sport in die Turnhallen der Republik einzog. Nichtsdestotrotz bleibt Otto Feick auch im Tode seiner Erfindung verbunden. Denn es ist ein Rhönrad, dass seinen Grabstein ziert.

 

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