Ein Interview mit Steckenpferd Bobi

 

Dieser Text ist Teil unserer Reihe “Spotlight on”. Dabei stellen wir Sportarten vor, die in Deutschland noch so wenig verbreitet sind, dass es bisher keinen Ligabetrieb oder Dachverband gibt. Weitere Artikel der Reihe findest du hier: Spotlight on.


von Hannah Wolff

Ein Mädchen mit ihrem Steckenpferd beim Springreiten.Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Hobby_Horsing

Ein Mädchen mit ihrem Steckenpferd beim Springreiten.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Hobby_Horsing


Steckenpferd reiten – das ist doch nur ein Zeitvertreib für Kindergartenkinder. Oder hat das Phänomen etwa das Zeug zu einem echten Sport? Wir wollten dieser Frage einmal genauer nachgehen und deshalb hat sich MUS-Reporterin Hannah mit dem finnischen Steckenpferd Bobi unterhalten – rein fiktiv natürlich.

In Finnland hat sich nämlich (ganz real) unter dem Schlagwort „Hobby Horsing“ seit den 80er Jahren ein Sportphänomen entwickelt. Über 10.000 Finninnen (und einige Finnen) betreiben diesen Sport heute. Ohne Hobby Horses wie Bobi wäre das nicht möglich. Im Interview erzählt uns Bobi wer die Hauptlast in diesem Sport trägt und warum er schon einmal auf einer Demonstration war.

 

MUS: Hallo Bobi. Schön, dass du dir die Zeit nimmst, mit uns zu sprechen. Aber mal ehrlich. Du bist doch eigentlich nur ein Holzspielzeug. Findest du es nicht etwas übertrieben, dich hier als Experte aufzuspielen?

Bobi: (empört) Ganz und gar nicht! Bewertest du mich etwa nur nach meinem Äußeren? Ich mag aus Stoff und Holz sein, aber ich bin ein Sportgerät – kein Spielzeug. Und über Hobby Horsing weiß ich alles. Da kannst du mich alles fragen.


MUS: Naja, aber sich so ein Spielzeug … sorry … Sportgerät mit einem Stock zwischen die Beine zu klemmen – das ist doch schon ziemlich albern, oder?

Bobi: Darf ich dich erinnern, dass du Quidditch spielst? Du klemmst dir einen Besen zwischen die Beine. Als du noch Lacrosse gespielt hast, sahst du aus, als würdest du mit deinem Spielgerät Schmetterlinge fangen wollen. Und wenn wir mal ganz ehrlich sind: Beim Fußball hast du versucht mit dem Fuß einen Ball in einen Kasten zu befördern, obwohl das mit den Händen sehr viel einfacher gehen würde. Jeder Sport ist irgendwann einmal neu und unbekannt. Die Regeln erscheinen dann zunächst seltsam und albern. Aber wir gewöhnen uns daran. Und das wichtigste ist doch, dass die Sporttreibenden sich bewegen, dabei Spaß haben und eine Gemeinschaft bilden.


MUS: Das stimmt natürlich, Bobi. Na gut, dann erzähl uns mal etwas mehr über Hobby Horsing. Wie funktioniert dieser Sport?

Bobi: Hobby Horsing besteht aus zwei verschiedene Disziplinen. Die Reiterinnen treten beim Dressurreiten und beim Springreiten gegeneinander an. In der Dressur geht es darum, die verschiedenen Gangarten der Pferde so gut wie möglich nachzumachen. Beim Springen müssen verschieden hohe Hindernisse in einer bestimmten Reihenfolge überwunden werden. In Finnland, wo ich herkomme, gibt es jedes Jahr sogar eine nationale Meisterschaft, für die sich ca. 200 Teilnehmerinnen qualifizieren und zu der über 1.000 Zuschauer kommen.


MUS: Wer betreibt denn Hobby Horsing überhaupt?

Bobi: Hobby Horsing ist für alle offen. Die meisten Reiterinnen sind jedoch Mädchen und junge Frauen zwischen 10 und 20 Jahre alt. Dieses Alter ist häufig ein schwieriges für die Mädchen. Nicht nur ihr Körper verändert sich. Viele Mädchen haben mit verschiedenen Problemen zu kämpfen, wie z.B. eine Scheidung der Eltern oder Mobbing in der Schule. Mit dem Hobby Horsing haben die Mädchen sich einen Raum geschaffen, den sie so gestalten können, wie sie selbst möchten. Hier können sie ganz sie selbst sein. Aber auch Jungen finden vereinzelt zum Sport und werden willkommen geheißen.


MUS: Was gefällt dir persönlich so gut am Hobby Horsing?

Bobi: Einerseits tut die Aktivität den Reiterinnen einfach gut. Wenn ich den Mädchen zuschaue, wie sie durch den Wald galoppieren, erkenne ich in ihnen das gleiche Gefühl von Freiheit, was andere verspüren, wenn ihnen z.B. auf Inlinern der Wind durch die Haare fegt. Ich spüre richtig, wie sie ganz ausgelassen miteinander Spaß haben. Andererseits trainieren die Reiterinnen hart für ihre Erfolge. Sie lernen Disziplin, Durchhaltevermögen und Teamgeist.


MUS: 2016 war Hobby Horsing in Finnland vermehrt in den Medien. Es gab wohl eine Art Demonstration. Kannst du uns hierzu mehr erzählen?

Bobi: Sehr gerne. Das war nämlich wirklich eine tolle Sache. Über 200 junge Frauen und Mädchen sind in Helsinki zusammen gekommen und auf ihren Steckenpferden durch die Stadt gezogen, um mehr Respekt für ihren Sport zu fordern. Davor haben sich viele Hobby Horser lange Zeit für ihren Sport geschämt und das Hobby geheim gehalten. Mit der Parade durch Finnlands Hauptstadt sind die Mädchen gemeinsam stark genug geworden, für sich einzustehen. Sie haben sich selbst organisiert und neues Selbstbewusstsein erlangt.


MUS: Ok, Bobi. Ich verstehe, dass Hobby Horsing eine gute Sache für die Mädchen und Frauen ist. Aber echter Sport ist das doch nun wirklich nicht, oder?

Bobi: Das glaubst du nur, weil du es noch nie selbst ausprobiert hast. Hobby Horsing ist richtig anstrengend - zumindest für die Reiterinnen und Reiter. Wir Steckenpferde müssen hier ausnahmsweise mal nicht so viel leisten. Weißt du, wenn die Mädchen Dressur reiten, machen sie Bewegungen, wie beim Kniehebelauf. Aber damit nicht genug, sie müssen dabei wie beim Tanzen einen bestimmten Takt einhalten und ihre Füße richtig strecken, damit die Bewegungen elegant aussehen. Und beim Springreiten wird eine enorme Sprungkraft verlangt. Manche Mädchen und Frauen können aufrecht über 1,40 Meter große Hindernisse springen. Das ist so hoch wie Abiturientinnen im Sportunterricht mit der modernen Hochsprungtechnik springen müssen, um 15 Punkte zu erhalten. Ich persönlich habe großen Respekt vor der sportlichen Leistung der Reiterinnen und Reiter.


MUS: Vielen Dank für das Gespräch, Bobi. Du hast mir viel Stoff zum Nachdenken gegeben. Ich wünsche dir viel Erfolg bei der finnischen Meisterschaft im Juni.


Wenn du sehen möchtest wie Hobby Horsing in echt aussieht, dann schaue dir dieses Video an: Finnische Meisterschaft.

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