From Zero to Hurler - Ein MUS-Trainingsbericht

 
Stolz wie Oskar: Die drei von der MUS-Stelle. (Foto: Lauritz Bonnen)

Stolz wie Oskar: Die drei von der MUS-Stelle.
(Foto: Lauritz Bonnen)


„Hi! Bist du neu? Dann kannst du schon mal mit zum Container dahinten gehen und dir einen Helm und einen Hurley geben lassen.“ Es war ein warmer Montagabend auf der Willi-Boos-Sportanlage in Kreuzberg, als ich diese Anweisung von einer der Spielerinnen vom Setanta Berlin GAA erhielt. Die Corona-Lockerungen erlaubten es seit ein paar Wochen wieder Teamsportarten mit mehreren Teilnehmer*innen auszuüben und Hannah, Daniel und ich haben die Chance genutzt zwei unserer letzten, im Podcast vorgestellten, Sportarten auszuprobieren. In diesem Fall: Hurling und Camogie (wie sie genau funktionieren erfahrt ihr hier). Und auch nur wegen dieser Folge musste ich nicht fragen was ein „Hurley“ sei.

Ich ging also zum Container, wo ich zum zweiten Mal in kurzer Zeit sehr freundlich begrüßt wurde. Wie versprochen, bekam ich einen Helm und einen Hurley, der Schläger beim Hurling und Camogie, der etwa so aussieht wie ein großer Holzlöffel. Als ich anfing mich vorzustellen kam gleich ein: „Ach ihr seid die vom Podcast. Ihr habt meine Tochter interviewt!“. Kurz darauf wurde mir von dem anderen Elternteil, der Trainer der Hurling-Mannschaft, erklärt wie ich den Hurley zu halten habe und wie der Sliotar (gesprochen: Slither) am besten geschlagen wird, bevor ich ans andere Ende des Feldes geschickt wurde um am Zaun ein bisschen zu üben, bis das Training losging. Wie erwartet, war es nicht so leicht den Sliotar zu treffen, geschweige denn kontrolliert in eine Richtung oder auf eine gewollte Höhe zu schlagen, wie es im Profisport aussieht. Trotzdem, oder gerade deswegen, fühlte sich jeder getroffene Ball an wie ein Erfolg.

Dann fing das Training an. Hannah, Daniel (beide waren inzwischen auch angekommen) und ich wurden erstmal beiseite genommen, um zu lernen, wie man mit dem Hurley umgeht. Von Lauritz, einem unserer Podcast-Gäste, lernten wir die grundlagen Das Aufheben wurde etwas erschwert, aufgrund der Tatsache, dass Setanta auf einem Kunstrasenplatz spielt und der Sliotar nicht wie auf dem normalen Rasen zumindest etwas vom Boden entfernt ist. Trotzdem gelang es uns eigentlich ziemlich gut und wir gingen schnell zum Passen über. Wir standen uns zu zweit gegenüber und sollten uns zuspielen. Erst ein Luftpass und hinterher Bodenpässe. Was anfangs noch etwas unbeholfen aussah, wurde mit jedem Mal besser und als ich einmal einen Bodenpass aufgenommen, gefangen und gleich wieder weitergespielt hatte, fühlte ich mich wie der coolste Spieler auf dem Feld. Daniel und Hannah waren nicht viel weniger erfolgreich und das führte dazu, dass wir zeitnah nach unserem Crash-Kurs ins normale Training eingegliedert wurden. Hannah ging als zu den Camoges (das Damenteam) und Daniel und ich zu den Hurlern (Herrenteam).

Auch hier ging es wieder ums Aufheben und Passen (mit Hand oder Hurley), diesmal jedoch in Bewegung, was alles etwas komplizierter machte, weil man jetzt auch noch die Beine bewegen musste. Nach fast vier Jahren Quidditch sollte man meinen, Multitasking sei kein Problem mehr, nur leider bezieht sich das nicht auf motorische Fähigkeiten.

Nach den ersten zwei Runden fragte ich mich, wie zur Hölle die Spieler*innen im Profisport all das was ich hier in Zeitlupe machte im vollen Sprint durchführen und dabei auch noch auf den Beinen bleiben. Dann wurden wir doch nochmal zur Seite genommen, um das Toreschießen etwas zu üben. Wir passten also den Sliotar per Handpass zum Trainer, bekamen ihn sofort im Lauf wieder und sollten dann aus dem Lauf schießen. Auch das war im Prinzip nichts anderes, als das was wir vorher mit Lauritz durchgegangen sind. Die Basics sind einfach und leicht zu verstehen. Die perfekte Anwendung jedoch, die braucht Zeit und, bei mir, viel Geduld.

Da man mit Toren aber nicht die Meisten Punkte macht, sondern mit den „Points“ (wenn der Ball über das Tor zwischen die Torstangen geht), wurden wir vor dem Trainingsspiel nochmal auf ein Tor losgelassen und konnten diesmal so richtig zuschlagen, was gefühlt leichter war als einen präzisen kürzeren Ball zu spielen. Viel erfolgreicher war es jedoch auch nicht (einmal flog der Ball über den Schutzzaun und gegen das Sporthaus), aber auch hier hat ein perfekt getroffener Sliotar gereicht um mich zu ermutigen. Schließlich ist noch nie ein Profi vom Himmel gefallen, so sehr ich es auch gerne immer wieder hätte.

Während der Trainingseinheit konnte man allgemein ein großes Spektrum an Können beobachten. Wir waren zwar auf jeden Fall die Neusten, jedoch gab es auch andere die noch nicht lange den Hurley in der Hand hielten. Die Atmosphäre war trotzdem sehr entspannt und es gab immer einen Spruch hier und da, jedoch nie in Richtung eines Anfängers, wenn ihm ein Ball versprungen ist oder er ihn zum fünften Mal zu weit geschlagen hatte. Es war ein Perfektes Umfeld zum Lernen.


Du willst wissen, wo Hurling und Camogie herkommen und wie sie entstanden sind? Dann click mal hier!


Nach einer kurzen Trinkpause wurden dann Leibchen verteilt, die H-Förmigen, eigens konstruierten Tore in Position geschoben und schon ging es los. Jeder Ballkontakt, Handpass oder Solo-Lauf (wo man mit dem Sliotar auf dem Hurley läuft, als ob man beim Eierlauf wäre) war ein irres Gefühl. Vor allem, weil ich seit Monaten kein Sport mehr gemacht hatte fühlte es sich alles etwas surreal an und, na klar lief ich doch auch viel hinterher, aber man wurde nie lang geschickt oder in eine Ecke gestellt, sondern immer angespielt und mit ins Spiel einbezogen. Die größte Hürde war jedoch nicht das Spielgeschehen, sondern den Hurley nach der dritten unerfolgreichen Aufnahme aus Frust nicht wie einen Hockeyschläger zu nutzen und den Sliotar unkontrolliert wegzuschlagen.

Zum Ende hin kamen die Camoges noch dazu und wir haben im Turniermodus mit drei Teams gemischtgeschlechtlich gespielt. Auch als ich mit meinem Team an der Seitenlinie stand und auf unseren Einsatz wartete, fühlte ich mich immer als Teil der Gruppe. Man wurde offen, mal auf Deutsch, mal auf Englisch, in ein Gespräch verwickelt, bis es hieß: „Orange team! You’re up!“.

Nach dem Spiel war dann auch Schluss. Was sehr angenehm für mich war, da ich keinen Zentimeter mehr laufen konnte. Meine Beine brannten vom Sprinten und in den Armen merkte ich auch schon die ersten Zeichen von Muskelkater aufgrund der ungewöhnlichen Schlagbewegungen. Trotzdem hatte ich so viel Spaß wie lange nicht mehr beim Sport. Die Einstiegshürden sind zwar da, aber nichts was man mit ein paar Monaten Training nicht erlernen kann. Zudem sind alle unglaublich zuvorkommend und nehmen Neulinge, die es übrigens fast jede Woche gibt, sofort auf. Zum Ende gesellten wir uns noch mit einem Großteil der Spieler*innen an den Sportkiosk und schauten mit einem Kaltgetränk in der Hand Fußball. Im Moment ist Quidditch zwar meine Hauptsportart, doch ich habe nicht gelogen als ich mich mit einem „Ich komme auf jeden Fall wieder.“ verabschiedet habe.


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