Leichteres Material revolutioniert Spielstil im Jugger

 

von Eva Ristau

Im Jugger feilen viele Pompfer stetig an der Optimierung ihrer Spielgeräte. In den letzten Jahren hat sich eine leichtere Bauweise vermehrt durchgesetzt.© Linus Smid

Im Jugger feilen viele Pompfer stetig an der Optimierung ihrer Spielgeräte. In den letzten Jahren hat sich eine leichtere Bauweise vermehrt durchgesetzt.

© Linus Smid


Wie in vielen unpopulären Sportarten kann man im Jugger seine Spielgeräte nicht einfach im Sportgeschäft kaufen. Dementsprechend werden seit Anfang an die Pompfen selber gebaut. Individuelle Pompfen aus verschiedensten Materialien sind die Folge. 

Nachdem Jugger anfangs vielerorts noch mit Waffen aus dem Live Action Role Play (LARP) gespielt wurde, entwickelten Spieler bereits in den Neunzigern die heute üblichen Pompfen. Weil die Art, wie fürs Rollenspiel Waffen gebaut werden, sehr zeit- und materialaufwändig ist und viel Fachkenntnis benötigt, kristallisierte sich ebenfalls bald eine andere Bauweise für Pompfen heraus.

Da die Jugger Community schon immer sehr experimentierfreudig war, haben auch in dieser frühen Phase des Sports schon viele Spieler mit unterschiedlichen Bauweisen experimentiert. In der breiten Masse der Spieler setzte es sich allerdings bald durch, seine Pompfen aus Vollkernen aus Glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK), einer bis mehreren Schichten Rohrisolierung aus dem Baumarkt und vor allem viel Gewebeklebeband zu bauen.

Diese Spielgeräte zeichneten sich dadurch aus, dass sie einfach und kostengünstig mit etwas Anleitung oder Erfahrung selber gebaut werden konnten. Aus heutiger Perspektive waren sie allerdings wahnsinnig schwer. Je nach Details konnte ein Stab dieser Bauweise beispielsweise schnell 1,2 bis 1,5 kg wiegen. 

Natürlich hat das Gewicht der Pompfen einen großen Einfluss auf das Spielgeschehen. Schläge mit einer derartig schweren Pompfe sind viel langsamer. Auch in der bis 2013 üblichen Doppelregelung, heute als Deutsches Doppel bekannt, spiegelt sich dies wieder. Um die Trägheit der Pompfen mit ins Spielgeschehen einzubeziehen, durfte ein abgeschlagener Spieler seinen Schlag noch zu Ende ausführen, auch wenn er schon währenddessen getroffen wurde.

Doppel: Mit den früher üblichen, deutlich schwereren Pompfen war das Spiel weniger dynamisch als heute.© Jugger e.V. Berlin

Doppel: Mit den früher üblichen, deutlich schwereren Pompfen war das Spiel weniger dynamisch als heute.

© Jugger e.V. Berlin

Dies führte zu einem viel langsameren und statischeren Spiel als heute. Alle Treffer innerhalb einer Sekunde wurden noch als zeitgleich und somit als Doppel gewertet. Das hatte häufig zur Folge, dass die Teams sich an der Mittellinie begegneten und die meisten Duelle sich doppelten. Die Spieler kamen dann natürlich auch zur gleichen Zeit wieder ins Spiel und stehen sich entsprechend in der Regel direkt wieder gegenüber.

Ein neuer Impuls durchfuhr die Jugger-Welt, als erste Spieler und Teams beginnen, ihre Pompfen um ein GFK-Rohr oder einen Bambusstab als Kern zu bauen. Auch die Poolnudel als Polsterung betritt die Bühne des Pompfenbaus. Diese Pompfen sind jetzt bereits deutlich leichter. Ein Stab dieser Bauweise wiegt beispielsweise etwa zwischen 650 und 750 g - also nur noch die Hälfte.

Zusätzlich beginnen immer mehr Spieler, mit anderen Arten Klebeband zu experimentieren. Gewebeklebeband ist erstaunlich schwer, besonders wenn man einige Meter davon pro Pompfe verarbeitet. Deutlich leichter sind Paketklebeband oder Segeltape. Letzteres ist außerdem angenehm weich, allerdings auch deutlich teurer.

Ein enormer Leistungsschub ist die individuelle Folge dieser ersten Umstellung auf deutlich leichtere Pompfen. Diese Innovation durchdringt bald die ganze Community und führt zu bahnbrechenden Veränderungen im Spiel. Plötzlich kann man seine Pompfe schnell genug führen, um Finten zu setzen. Entsprechend werden die Duelle schneller und dynamischer. Anfang der 2010er Jahre ist diese Spielweise weitestgehend der neue Standard.

2013 wird auch die Doppelregelung der neuen Spieldynamik angepasst. Die bis dahin als ‘Irisches Doppel’ bekannte Variante wird international etabliert. Nur noch Treffer, die exakt gleichzeitig stattfinden, gelten nun als Doppel. 

Auch das hat wiederum eine Veränderung des Spielgeschehens zur Folge: Statt statischer Duelle, in denen Angriff und Abwehr sich abwechseln, wird Schnelligkeit immer wichtiger. Explosive und dynamische Angriffe werden immer bedeutsamer. Angriffe kommen zu lassen und zu blocken hingegen wird unüblicher. Eher versucht man, seinen Gegner schneller zu treffen, als man selber getroffen werden könnte.

Natürlich wird weiter an der Optimierung der Bauweise gefeilt. Bereits in dieser Zeit beginnen erste Spieler, ihre Pompfen aus Kohlenstoffverstärktem Kunststoff (CFK) zu bauen, um noch leichtere und damit schnellere Pompfen spielen zu können. 

Die breite Masse der Jugger-Spieler reagierte auf diese Idee allerdings eher verhalten. Karbonrohre sind teuer - sie kosten meistens zwischen 17 und 22€ pro Meter, GFK-Rohre eher 5 bis 10€. Auch hatten viele Pompfer Bedenken wegen der Bruchfestigkeit dieser Kernstäbe. Zumal Karbon scharfkantig und splittrig bricht, was bei vielen für Besorgnis um die Sicherheit auf dem Spielfeld geführt hat.

Und Karbon ist nicht gleich Karbon. Es gibt verschiedene Arten, wie die Kohlefasern im Kernrohr verarbeitet sein können. Dies hat großen Einfluss auf die Materialeigenschaften. So waren die wenigen, bereits früh in Pompfen verbauten CFK-Rohre trotz gleicher Dicke und Durchmesser nur schwer miteinander vergleichbar. 

Für die Erfahrungswerte zur Haltbarkeit der Karbonpompfen mussten entsprechend erst einzelne Spieler die neuen Materialien eine Weile ausprobieren. Diese Phase des Experimentierens fand etwa vor sieben bis drei Jahren statt, während die allermeisten Spieler mit GFK-Pompfen spielten.

Zusätzlich zu den anfänglich noch undurchsichtigen Materialeigenschaften von Kernrohren aus CFK war Jugger noch vor wenigen Jahren deutlich weniger kompetitiv als heute. Dementsprechend war vielerorts noch nicht so viel Antrieb zur absoluten Optimierung von Spielgeräten, Spieldynamik und Team- sowie Einzelleistung vorhanden.

Doch auch daran hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Immer mehr Teams und Spieler sehen Jugger als leistungsorientierten Sport. Der Wunsch nach möglichst leichten Pompfen wird größer und kommt auch immer mehr von Spielern außerhalb der wenigen Spitzenteams. 

Besonders explosive Spieler profitieren sehr von einer leichteren Pompfenbauweise. Sie ermöglicht eine schnelle und dynamische Spielweise.© Linus Smid

Besonders explosive Spieler profitieren sehr von einer leichteren Pompfenbauweise. Sie ermöglicht eine schnelle und dynamische Spielweise.

© Linus Smid

Mit diesen Veränderungen wird Jugger flächendeckend immer schneller und dynamischer. Sehr dezente und komplexere Finten werden durch die extrem leichten Pompfen möglich. Immer mehr geht es um minimale Impulse, um eine Reaktion des Gegners zu provozieren und darauf dann selber wieder reagieren zu können. Auch immer schnellere Reaktionen auf Wechsel oder Manöver des Gegners sind inzwischen selbstverständlich.

Explosive, agile Spieler können ihr volles Potenzial ausschöpfen und erfahren mit der leichten Bauweise einen weiteren Leistungsschub. Besonders wettkampforientierte und leistungsstarke Teams stiegen deshalb schnell auf die aktuell leichteste Bauweise aus einem Karbonrohr, einer Poolnudel als Polsterung und sparsam verwendetem Segeltape oder Paketklebeband um.

“Mit einer schweren Pompfe muss ich viel konzentrierter und korrekter fechten als mit einer leichten. Ich habe eine Chance und der Treffer muss dann sitzen, sonst bin ich erstmal raus aus dem Spiel,” erklärt Johannes ‘Hanni’ Ratz von den Kieler Fischkoppkriegern seine Entscheidung zu einer Karbon-Langpompfe. “Mit einer leichten Pompfe kann ich viel flexibler auf die Spielsituation reagieren und habe deutlich mehr Handlungsspielraum.” 

Pompfen werden im Jugger in der Regel selbst gebaut, dementsprechend vielseitig sind ihr Design und die verwendeten Materialien.© Jesse Hatfield Dodds

Pompfen werden im Jugger in der Regel selbst gebaut, dementsprechend vielseitig sind ihr Design und die verwendeten Materialien.

© Jesse Hatfield Dodds

Ein weiterer Vorteil der leichteren Bauweise liegt darin, Jugger auch für körperlich weniger fitte Leute zugänglich zu machen. Es ist viel leichter, sich an den Umgang mit einer leichten Pompfe zu gewöhnen, als von Anfang an ein Spielgerät mit über einem Kilo Eigengewicht führen zu müssen. 

Zusätzlich sind die Treffer deutlich weniger schmerzhaft. Zum einen, weil die leichten Pompfen mit weniger Kraft und Schwung geführt werden müssen, zum anderen aber auch, weil die Polsterung mit Poolnudel und Segeltape deutlich weicher ist, als die ältere Version aus Rohrisolation und großen Mengen Gewebeklebeband.

Heutzutage spielt kaum noch jemand ganz schwere Pompfen der ganz alten Bautradition mit GFK-Vollkern. GFK-Rohre als Kern sind eine gängige und gute Lösung für Einsteiger oder Teampompfen, da sie einen relativ niedrigen Materialpreis haben und trotzdem verhältnismäßig leicht und sehr robust sind. 

Ein möglichst niedriges Gewicht hat allerdings nicht nur finanziell seinen Preis. Pompfen der Leichtbauweise brechen zwar nicht unbedingt schneller, sind aber in der Regel wartungsintensiver. Je nach Spielstil und Häufigkeit von Turnier- und Trainingsteilnahme kann man damit rechnen, die Polsterung seiner Pompfe ein- bis mehrmals jährlich erneuern zu müssen.

Dementsprechend steigen nicht nur die Kosten für den teureren Kernstab. Auch die verschleißenden Bestandteile wie Polsterung und Tape kosten. Inklusive aller verwendeten Materialien kostet eine möglichst leichte Pompfe etwa 55 bis 65€. Für eine mittelleichte Pompfe mit einem GFK-Rohr als Kern bewegen sich die Materialkosten eher bei ungefähr 30€. 

Hinzu kommt natürlich bei beiden Varianten noch die eigene Arbeitszeit. Ein routinierter Bauer braucht zur Herstellung einer komplett neuen Pompfe etwa zweieinhalb Stunden. Natürlich hängt die benötigte Zeit aber sehr von der Übung und auch von der Detailverliebtheit des Designs ab.

Ist ein möglichst niedriges Gewicht denn überhaupt für alle Pompfen und Spieler gleich interessant? Natürlich hängt das vor allem vom individuellen Spielstil ab. Viele Spieler schildern beispielsweise, dass ihnen die extreme Gewichtsreduktion beim Stab nicht so wichtig erscheint. Besonders wenn man sehr defensiv spielt oder viel über Druckduelle arbeitet, stören 200g zusätzliches Pompfengewicht die meisten Pompfer nicht.

Außerdem kann in manchen Spielsituationen oder gegen bestimmte Gegner eine etwas schwerere Pompfe sogar hilfreich sein. Man ist beispielsweise besonders mit einer sehr leichten Pompfe etwas schwerer zu blocken oder kann sich einen kleinen Vorteil in Druckduellen erarbeiten.

Der Antrieb zur stetigen Optimierung der eigenen Spielgeräte bleibt weiterhin eine charakteristische Eigenart vieler Jugger-Spieler. Bisher ist allerdings noch nicht absehbar, welche Neuerung als nächstes Auswirkungen auf das Spielgeschehen haben wird. Noch nennenswert leichtere Pompfen erscheinen aus der heutigen Perspektive schwer vorstellbar.


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